Mythencheck: Wie umweltschädlich sind Kreuzfahrten wirklich? Teil 1

Kaum ein Thema polarisiert so sehr wie das Reisen mit dem Kreuzfahrtschiff. Die einen schwärmen von Sonnenaufgängen auf See, dem sanften Schaukeln der Wellen und dem Komfort eines schwimmenden Hotels. Die anderen sehen in den Schiffen schwimmende Umweltkatastrophen, die mit Schweröl durch empfindlichste Ökosysteme pflügen. Besonders in den letzten Jahren wurden die Diskussionen um die Umweltauswirkungen sehr lebhaft geführt – nicht zuletzt angefeuert durch Medienberichte, NGO-Kampagnen und Social-Media-Beiträge, die die Branche an den Pranger stellen.

Doch wie sieht die Realität aus? Sind Kreuzfahrten wirklich die Umweltsünder schlechthin, wie oft behauptet wird? Oder steckt hinter manchem Vorwurf ein Mythos, der sich hartnäckig hält, obwohl er längst überholt ist?

In diesem umfassenden Mythencheck gehen wir in 3 Teilen auf den wichtigsten Vorwürfen auf den Grund, differenzieren zwischen berechtigter Kritik und überzogenen Behauptungen – und zeigen auch auf, was die Branche selbst unternimmt, um nachhaltiger zu werden.

Faszination Kreuzfahrt

Kreuzfahrten bieten ein einzigartiges Erlebnis. Sie sind ein „schwimmendes Hotel“ mit viel Komfort und Vielfalt. Jährlich reisen Millionen auf Kreuzfahrtschiffen, angezogen von All-inclusive-Paketen und Unterhaltung auf hoher See. Für viele Leute ist es sehr interessant innerhalb von einigen Tagen, neue Städte, Landschaften und Kulturen kennen zu lernen und zu erleben und das ganz ohne Gepäckwechsel. Doch sind viele Kreuzfahrtenthusiasten immer wieder mit Umweltfragen konfrontiert. Studien zeigen, dass 60% der Deutschen die Kreuzfahrt umweltpolitisch kritisch beurteilen.

Die Diskussionen um die Umweltverschmutzung durch Kreuzfahrtschiffen ist lebhaft. Viele glauben Kreuzfahrtschiffe seien die Hauptursache für die Umweltverschmutzung. Doch die Realität ist oft vielschichtiger. In diesem Mythencheck beleuchten wir, ob die Umweltauswirkungen durch die Kreuzfahrt wirklich so negativ sind, wie oft behauptet wird. Wir schauen uns die umweltbilanz kreuzfahrten genauer an und erforschen, wo Mythen und Wirklichkeit zusammenkommen.

Kreuzfahrten verursachen mehr CO₂ als Flugreisen

„Eine Kreuzfahrt verursacht mehr CO₂-Emissionen pro Passagier als ein Langstreckenflug – das ist pure Umweltverschmutzung!“, wird oft behauptet. Doch stimmt das?

Auf den ersten Blick scheint der Vergleich einfach: Ein Kreuzfahrtschiff verbraucht pro Tag große Mengen an Treibstoff – also muss der CO₂-Ausstoß enorm sein. Doch die Realität ist komplexer. Entscheidend ist, wie viele Menschen befördert werden, welche Antriebstechnologie verwendet wird und wie die Emissionen pro Person und Kilometer aussehen.

Ein modernes Kreuzfahrtschiff wie die AIDAnova, das mit LNG (Flüssigerdgas) betrieben wird, verbraucht pro Person und Kilometer im Schnitt etwa 0,035 kg CO₂.

Ein Langstreckenflugzeug wie die Boeing 777 oder der Airbus A350 verursacht im Schnitt 0,11 bis 0,18 kg CO₂ pro Personenkilometer, wie aus Daten des Umweltbundesamtes und der International Air Transport Association (IATA) hervorgeht. Doch hier ist die Unterkunft und Verpflegung for Ort. Der Unterschied ist also gar nicht so klar, wie oft behauptet.

Zudem verbringen Passagiere auf Kreuzfahrtschiffen ihre gesamte Reisezeit an Bord – inklusive Übernachtung, Verpflegung und Unterhaltung. All diese Aspekte verursachen bei Flugreisen zusätzliche Emissionen durch Hotels, Transfers, Klimaanlagen etc. Bei Flugreisen entstehen vergleichbare Emissionen an Land – durch Hotelaufenthalte, Transfers, Restaurantbesuche, Freizeitangebote oder zusätzliche Flüge. Ein Ferien-Resort an Land verbraucht ebenfalls eine Menge CO, was jedoch nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich ist. Laut einer Studie des Öko-Instituts verursacht ein durchschnittlicher Hotelgast in einem Mittelklassehotel in Spanien zwischen 15–30 kg CO₂ pro Tag, je nach Energieversorgung und Verpflegungsangebot. Dieser „indirekte“ Fußabdruck fehlt oft in der Betrachtung.

Dazu gibt es mittlerweile mit Landstrom eine Möglichkeit mit Schiffen nahezu emmissionsfrei anzulegen. Dafür muss aber auch die Möglichkeit geschaffen werden. Viele Häfen, die Landstrom anbieten, schreiben die Nutzung mittlerweile vor.

Kreuzfahrten verursachen CO₂, aber nicht pauschal mehr als Flugreisen. Moderne Schiffe mit LNG-Antrieb oder Landstromnutzung schneiden im Vergleich oft besser ab, besonders bei längeren Aufenthalten an Bord. Viele Reedereien berücksichtigen bei ihren Neubauten, die Möglichkeit die Antriebe auf emissionsärmere oder emissionsfreie Antriebe umzurüsten.

Neue Filteranlagen und alternative Treibstoffe wie HFO senken den Schadstoffausstoß. Trotzdem muss man sagen, dass nur 12% der Reedereien die EU-Ziele von 2030 erreichen. Die Schiffsemissionen bleiben ein großes Problem, trotz technischer Fortschritte. Hier werden aber auch viele ältere Schiffe berücksichtigt, welche noch mit alten Antrieben unterwegs sind. Die Schifffahrt wird immer umweltfreundlicher. Wichtig ist hier eine Differenzierung zwischen alten und neuen Schiffen. Der Schadstoffausstoß variiert um bis zu 40% zwischen Legacy- und Neubauten lt. einer Umweltstudie der Clean Shipping Initiative aus dem Jahr 2023.

Die Aussage „Kreuzfahrten verursachen mehr CO₂ als Flugreisen“ greift oft zu kurz, da sie viele Aspekte außer Acht lässt. Eine faire Bewertung muss den gesamten Reiseaufwand einbeziehen – also auch Hotel, Transfers und Freizeitangebote bei Flugreisen. Die Branche entwickelt sich technologisch weiter – doch der Anteil älterer, emissionsintensiver Schiffe bleibt ein Problem. Eine differenzierte Betrachtung zwischen modernen, LNG- oder hybridbetriebenen Schiffen und älteren „Schweröl-Dampfern“ ist notwendig.

Wer nachhaltig reisen möchte, sollte sich über das Schiff, den Betreiber und die Reiseroute informieren – und nicht nur auf plakative Vergleiche achten.

Jede andere Urlaubsform ist umweltfreundlicher als Kreuzfahrt

Kreuzfahrt seien die schrecklichste aller Urlaubsformen. Egal, ob Zugreisen, Ferienwohnungen, oder sogar die oft kritisierten Flugreisen seinen besser für die Umwelt, als eine Kreuzfahrt. Ein direkter Vergleich ist jedoch schwierig. Man muss die gesamte Reise betrachten inklusive Anreise, Unterkunft Verpflegung und Freizeitgestaltung.

Beispielhafte CO₂-Bilanzen (pro Person, Durchschnittswerte):

UrlaubsformCO₂-Ausstoß pro Woche
Kreuzfahrt (inkl. Anreise)ca. 1.000–1.500 kg
Pauschalreise mit Flugca. 1.000–1.800 kg
All-Inclusive Resortca. 800–1.400 kg
Ferienwohnung + Autofahrtca. 400–800 kg
Interrail mit Hostelsca. 200–500 kg

Wichtig ist, dass eine Kreuzfahrt Hotel, Transport, Verpflegung und unterschiedlichste Aktivitäten vereinigt. Ein fairer Vergleich müsste also ganzheitlich im Gesamtkontext einer Reise gesehen werden. All-Inclusive-Resort + Flug + Busreisen sind am ehesten mit einer Kreuzfahrt zu vergleichen. Die Kreuzfahrt ist nicht automatisch schlimmer – es kommt auf die Route, Schiff, Anreise und Dauer an. Umweltfreundlicher Urlaub ist auch ohne Verzicht auf Erlebnis möglich.

Kreuzfahrtschiffe fahren immer noch mit Schweröl

Oft wird behauptet, das Kreuzfahrtschiffe mit giftigem Schweröl fahren. Schweröl (HFO – Heavy Fuel Oil) ist tatsächlich einer der problematischsten Treibstoffe überhaupt. Seine Verbrennung setzt nicht nur CO₂, sondern auch Schwefeloxide (SOx), Stickoxide (NOx) und Feinstaub frei. Eine enorme Gefahr für Umwelt und Gesundheit.

Am 1. Januar 2020 wurde durch die IMO (International Maritime Organization) die Grenzwerte des Schwefelgehaltes von 3.5% auf 0.5% drastisch gesengt. Innerhalb sogenannter Emissionskontrollgebieten (Emission Control Areas, ECAs), wie z. B. Nord- und Ostsee und Teile Nordamerikas, gilt sogar ein Grenzwert von 0,1 %. In diesen Gebieten dürfen Kreuzfahrtschiffe kein Schweröl mehr verwenden – es sei denn, sie sind mit Abgasreinigungssystemen (Scrubbern) ausgestattet. In einigen Gebieten ist die Verwendung selbst unter der Verwendung von Scrubbern untersagt. Scrubber senken Schwefeloxide, aber hinterlassen wässrige Abfälle. Ersatztreibstoffe sind teuer. 

In der Regel verwenden Kreuzfahrtschiffe heute Marine Gas Oil (MGO). Diese hat einen geringeren Schwefelanteil. Moderne Schiffe und die meisten bestellten Neubauten verwenden Flüssigerdgas (LNG). LNG verringert den SOx-Gehalt nahezu vollständig. NOx werden um bis zu 80% und CO₂ um etwa 20%, gegenüber herkömmlichen Marinediesel gesengt. Immer mehr Schiffe sind zudem in der Lage Landstrom zu benutzen. Dadurch werden emissionsfreie Liegezeiten im Hafen ermöglicht.

LNG-Schiffe sind nur eine neue Form der Umweltzerstörung

Es wird oft behauptet LNG (Flüssiggas) ist nicht sauberer. Es ist nur eine andere Art fossilen Brennstoffs, und es führt zu Methanemissionen! LNG wird als „Brückentechnologie“ für die Kreuzfahrt genutzt. Es verbrennt sauberer als Schweröl. LNG stößt kaum Schwefeloxide und weniger Feinstaub aus. Darüber erzeugt die Verbrennung von LNG rund 20% weniger CO₂, als herkömmliche Treibstoffe. Richtig ist, dass es bei der Produktion und beim Einsatz von LNG zur Methanleckage kommen kann. Methan ist 25-mal klimaschädlicher als CO₂. LNG basiert meist aus auf fossilem Erdgas. Die Verfügbarkeit von grünem LNG, also aus Biogas, ist leider noch sehr begrenzt und die Infrastruktur zum betanken fehlt noch in vielen Häfen.

Einige Schiffe, etwa von MSC oder Carnival, sind „LNG-ready“ – das heißt: Sie könnten theoretisch auch grünes LNG oder Methanol nutzen, sobald es auf dem Markt verfügbar ist. LNG ist nicht klimaneutral, aber sauberer als Schweröl. Es ist eine Übergangslösung, die nur sinnvoll ist, wenn sie Teil eines klaren Dekarbonisierungspfads ist.

Kreuzfahrten belasten die Meere massiv mit Müll

„Kreuzfahrtschiffe werfen ihren Müll einfach ins Meer, besonders in internationalen Gewässern.“ wird gerne behauptet. Das Bild von „Müll über Bord“ hält sich hartnäckig. Dieses ist jedoch weitgehend überholt. Kreuzfahrtschiffe sind schwimmende Kleinstädte mit eigenen Müllverwertungsanlagen. Abfälle werden getrennt, komprimiert, thermisch behandelt oder an Land entsorgt – je nach Art des Mülls und den örtlichen Vorschriften. Hierzu gibt es oft Verträge mit den örtlichen Hafenbehörden oder lokalen Müllentsorgungsbetriebn.

Durch das MARPOL-Abkommen (Anhang V) wird das Verbot der Entsorgung von Plastik, Metall, Glas und anderen festen Abfällen ins Meer durchgesetzt. Darüber hinaus setzen viele Reedereien freiwillig auf eine Zero Discharge Policy, also auf ein komplettes Verbot der Meeresentsorgung. Genutztes Meerwasser wird nach einer umfangreichen Reinigung wieder in das Meer zurückgeleitet. Moderne Schiffe haben Kläranlagen, die den Umweltschutz sichern. Es werden Schwarzwasser, Grauwasser und Bilgenwasser getrennt und hochmoderne Filter verringern Schadstoffe, bevor das Wasser legal abgegossen wird. Diese Systeme sind oft besser als die in Städten an Land. Zusätzlich werden vermehrt Technologien verbaut um den Wasserverbrauch an Bord deutlich zu senken.

Natürlich gab es in der Vergangenheit auch Skandale – illegale Müllentsorgung oder Bilgenwasser-Ablass ohne Genehmigung. Doch das ist eher die Ausnahme als die Regel, auch durch strenge Kontrollen in Häfen und durch Umweltorganisationen. Illegale Entsorgung ist heute ein seltener Einzelfall. Moderne Kreuzfahrtschiffe verfügen über komplexe Müllmanagementsysteme und entsorgen Abfälle grundsätzlich an Land.

Die Plastikmüll-Problematik an Bord: Zwischen Fortschritt und Herausforderungen

Plastikmüll zählt zu den sichtbarsten Umweltproblemen unserer Zeit – auch auf Kreuzfahrtschiffen. Jahrzehntelang waren Einwegprodukte wie Plastikstrohhalme, Verpackungen, Flaschen und Einmalbesteck fester Bestandteil des Bordalltags. Doch mit wachsendem Umweltbewusstsein und gesellschaftlichem Druck hat ein Umdenken eingesetzt. Immer mehr Reedereien verfolgen heute Strategien, um Einwegplastik zu vermeiden, Müll zu recyceln und langfristig nachhaltige Kreislaufsysteme zu etablieren.

Nach Schätzungen von Umweltorganisationen stammen rund 80 % des Plastikmülls an Bord von Kreuzfahrtschiffen aus alltäglichen Verbrauchsgütern wie Wasserflaschen, Trinkbechern, Hygieneartikeln oder Verpackungen von Snacks und Kosmetikprodukten. Was für Passagiere Komfort bedeutet, wird für die Umwelt zur Belastung – insbesondere, wenn Müll falsch entsorgt oder in sensiblen Meeresgebieten verloren geht.

Die Kreuzfahrtbranche steht deshalb zunehmend unter Zugzwang, hier Lösungen zu finden. Der Fokus liegt dabei auf zwei zentralen Handlungsfeldern: Reduktion und Recycling.

Reduktion von Einwegplastik

Einige Reedereien haben in den letzten Jahren ambitionierte Ziele formuliert und Maßnahmen umgesetzt, um Plastikprodukte an Bord durch wiederverwendbare Alternativen zu ersetzen.

MSC hat 2019 das Programm „Plastic Reduction Plan“ ins Leben gerufen. Dadurch verzichtet MSC Cruises fast vollständig auf Plastikstrohhalme, Besteck, Becher und Rührstäbchen. Badezimmerprodukte wie Shampoo und Seife werden in nachfüllbaren Spendern statt Einmalverpackungen angeboten. Verpackungen in Restaurants und Bars wurden auf biologisch abbaubare Materialien umgestellt. Die MSC Foundation fördert zudem Umweltprojekte zur Reduktion von Meeresmüll. Andere Reedereien unterhalten ähnliche Programme, um den Plastikmüll zu reduzieren.

Recyclingprogramme

Neben der Reduktion spielt das Thema Recycling eine zentrale Rolle. Hier zeigt sich jedoch, dass die Umsetzung in der Praxis häufig mit komplexen Herausforderungen verbunden ist:

  • Unterschiedliche Hafenstandards weltweit erschweren die durchgängige Entsorgung. Häfen in ärmeren Ländern verfügen teils über keine geeignete Infrastruktur zur Abfallverwertung.
  • Getrennte Müllsammlung an Bord muss exakt erfolgen – dabei sind gut geschulte Crews und kooperative Passagiere entscheidend.
  • Viele Schiffe arbeiten mit komplexen Sortiersystemen, in denen Glas, Aluminium, Plastik, Papier und organische Abfälle getrennt werden.

Celebrity Cruises hat ein mehrstufiges Recycling- und Mülltrennsystem an Bord eingeführt. Die Schiffe verfügen über spezielle Müllpressen, Kompakter und Lagerzonen, um Abfälle umweltgerecht bis zum nächsten Hafen zu verwalten. Passagiere werden in Broschüren und Videos über das richtige Verhalten beim Mülltrennen informiert.

Ein Report der International Maritime Organization (IMO) zeigte 2023, dass rund 30 % der Kreuzfahrtschiffe ihre selbst gesetzten Recyclingziele übererfüllen. Etwa 40 % jedoch deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben – häufig aus Kostengründen oder durch mangelnde Kontrollen in den Zielhäfen. Teilweise ist eine Umsetzungen technisch aus Platzgründen nicht möglich.

Transparenz, internationale Standards und die Rolle der Passagiere

Ein zentrales Problem bleibt die fehlende Transparenz. Nur wenige Reedereien veröffentlichen regelmäßig umfassende Umweltdaten, etwa zur Menge produzierten Mülls, dem Anteil des Recyclings oder zur Abfallvermeidung. Zudem fehlen oft einheitliche internationale Standards, was zu großen Unterschieden in der Umsetzung führt.

Hier gibt es einige Forderungen aus Umweltverbänden und Fachkreisen.

  • Verpflichtende Umweltberichte der Reedereien mit jährlichen Zielen.
  • Zertifizierungen und Audits, z. B. durch Green Marine, DNV oder Clean Shipping Index.
  • Incentives für Passagiere, die aktiv an Müllvermeidung mitwirken, z. B. durch Boni oder Nachhaltigkeitspunkte.

Der Weg zur plastikfreien Kreuzfahrt ist lang, aber machbar

Die Reduktion von Plastikmüll auf Kreuzfahrten ist kein kurzfristiges Projekt, sondern ein langfristiger Transformationsprozess. Während viele Reedereien bereits beachtliche Fortschritte gemacht haben, bleibt die Umsetzung oft inkonsequent oder lückenhaft.

Ohne kontinuierliche Investitionen, internationale Vorgaben und eine bewusste Gästebeteiligung wird die Kreuzfahrt nicht zur Vorreiterin. Doch die gute Nachricht ist: Die technischen Möglichkeiten sind da – und mit wachsendem Engagement auf allen Seiten könnte die Vision einer weitgehend plastikfreien Kreuzfahrt schon bald Realität werden.

Auf Kreuzfahrtschiffen wird Wasser verschwendet

„Auf Kreuzfahrtschiffen wird doch Wasser verschwendet ohne Ende. Tausende Gäste wollen duschen, essen und schwimmen!“

Tatsächlich verbraucht ein Kreuzfahrtschiff enorme Mengen Wasser für Duschen, Pools, Wäschereien, Küchen, Klimaanlagen. Doch anders als an Land kommt dieses Wasser nicht aus Flüssen oder Süßwasserquellen, es wird an Bord erzeugt. Die meisten modernen Schiffe besitzen Umkehrosmoseanlagen, die täglich hunderttausende Liter Trinkwasser durch Meerwasserentsalzung. Grauwasser aus Duschen und Waschbecken wird mehrfach aufbereitet und für technische Zwecke neu verwendet. Der tägliche Verbrauch liegt auf Kreuzfahrtschiffen bei etwa 150l pro Gast. Das liegt etwas unter dem Verbrauch europäischer Hotels.

Hinzu kommt: Da jedes zusätzliche Kilogramm Gewicht den Treibstoffverbrauch erhöht, sind Reedereien finanziell motiviert, Wasser effizient zu nutzen.

Kreuzfahrten zerstören Korallenriffe und marine Ökosysteme

MSC Musica

Kreuzfahrtschiffe fahren durch empfindliche Gebiete und zerstören Korallenriffe, Seegraswiesen und andere Lebensräume im Meer. So hört man es immer wieder. Kreuzfahrtschiffe sind riesig und mit ihrem Tiefgang sind sie nicht selten auf breite Fahrrinnen angewiesen. In sensiblen Regionen wie der Karibik, Südostasien oder dem Great Barrier Reef kann das durchaus problematisch sein: Das Umdrehen im Flachwasser, Ankern über Riffen oder sogar die bloße Nähe eines Rumpfes kann Korallenriffe und Meereslebewesen stören oder beschädigen.

Kreuzfahrten in der Arktis und Antarktis

Die Polarregionen erleben seit einigen Jahren einen regelrechten Boom im Tourismus. Die Gletscher, Eisberge und Tierwelt der Arktis und Antarktis üben eine enorme Faszination aus – doch gleichzeitig sind diese Gebiete durch den Klimawandel ohnehin schon stark unter Druck. Durch die steigende Zahl an Kreuzfahrtschiffen wird die Belastung weiter erhöht.

Um dieser Entwicklung zu begegnen, hat die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) den sogenannten „Polar Code“ entwickelt – ein verbindliches Regelwerk, das seit 2017 gilt und Vorschriften zu Sicherheit, Umweltschutz, Notfallplanung und Crewtraining in polaren Gewässern enthält. Der Code schreibt unter anderem vor:

  • den Verzicht auf Schweröl als Treibstoff (wegen der besonders gefährlichen Folgen bei Ölverschmutzung in Kälte),
  • die Einhaltung besonderer Ankerungs- und Navigationszonen, um empfindliche Böden und Eisschollen nicht zu beschädigen,
  • strenge Vorgaben zur Abfall- und Abwasserentsorgung, die im Eis besonders problematisch ist.

Einige Reedereien setzen auf kleinere, umweltschonendere Expeditionsschiffe – etwa die MS Fram von Hurtigruten oder die Le Commandant Charcot von Ponant, die mit Hybrid- oder LNG-Antrieb und reduzierter Passagierzahl unterwegs sind. Doch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen bleiben Risiken bestehen: Eisdrift, plötzliche Wetterumschwünge, mechanische Havarien und Störungen empfindlicher Tierarten (etwa bei Walen oder Brutvögeln) lassen sich nicht vollständig ausschließen. Ein einziger Unfall – etwa ein Leck in einem Tank – könnte verheerende Auswirkungen auf ein gesamtes Polarökosystem haben.

Auswirkungen auf Korallenriffe und Inselökosysteme

Neben den Polargebieten zählen auch tropische Inseln und Korallenriffe zu den ökologisch sensibelsten Zielen für Kreuzfahrten. Regionen wie die Karibik, die Südsee, das Great Barrier Reef oder die Malediven werden jedes Jahr von Hunderten Kreuzfahrtschiffen angelaufen – oft mehrfach pro Woche. Die ökologischen Folgen sind gravierend. Problematisch sind vor allem:

  • Ankerwerfen in Riffnähe, denn sie zerstört Korallenstrukturen direkt.
  • Sedimentaufwirbelungen durch Schiffspropeller trüben das Wasser und hemmen die Photosynthese der Korallen.
  • Schnorchler und Taucher brechen Korallen ab oder treten versehentlich darauf.
  • Der Eintrag von Abwasser, Sonnencremes und Mikroplastik belastet das fragile Gleichgewicht zusätzlich.

Die meisten modernen Kreuzfahrthäfen befinden sich in tiefem Wasser oder wurden so konzipiert, dass Schiffe an festen Piers anlegen können. Das Ankern entfällt. Neue Technologien wie Dynamic Positioning Systems (DPS) ermöglichen das Positionieren ohne Anker, was Korallenriffe schont. Das wird auch bei Tender Häfen verwendet.

Viele Destinationen, etwa die Galápagos-Inseln oder die norwegischen Fjorde, haben strenge Regelungen eingeführt – Schiffe dürfen nur mit Genehmigung oder begrenzter Kapazität einfahren und müssen strenge Auflagen erfüllen. Viele sensible Gebiete werden heute auch von Kreuzfahrtschiffen umfahren. Frachtschiffe haben meist einen größeren Tiefgang und sind dadurch nochmal ein größeres Problem für die Umwelt. Die Elbe zwischen Hamburg und der Nordseemündung muss hierfür zum Beispiel regelmäßig ausgebaggert werden, damit die größten Containerriesen durch die Elbe passen. Die wäre für die Kreuzfahrtschiffe nicht erforderlich.

Besonders wichtig ist, die Passagiere für die sensiblen Ökosysteme zu sensibilisieren. Kein Instagram-Foto oder TikTok-Video ist es wert, diese sensiblen Ökosysteme durch unumsichtigen Touristen zu stören. Jeder soll die Möglichkeit haben die einzigartige Natur und Landschaften erleben zu können. Dafür braucht es eine systematische Steuerung der Tourismusströme, eine stärkere internationale Kontrolle, sowie einen offenen Dialog zwischen Reedereien, Naturschutzverbänden und lokalen Behörden. Sie sie erfordern ein Höchstmaß an Verantwortung, Regulierung und Innovation.

Wer Kreuzfahrten in solche Regionen anbietet – oder bucht –, trägt Mitverantwortung für deren Schutz. Transparente Umweltprogramme, ökologische Standards, aber auch eine bewusste Reiseentscheidung der Passagiere sind entscheidend, um die Welt auch für künftige Generationen erlebbar zu machen.

„Massentourismus durch Landgänge schaden den Hafenstädten.“

„Tausende Kreuzfahrtgäste strömen durch die Gassen der charmanten Hafenstädte. Sie stören das Leben vor Ort und überfordern die Infrastruktur. Einheimische werden verdrängt.“ Diese Aussagen höre ich immer wieder. Erst vor kurzem zuletzt, was mich zu diesem Format, dem Mythencheck, geführt hat. Die Kritik am Overtourism durch Kreuzfahrt ist nicht neu. Doch ist diese meist überzogen.

tädte wie Venedig, Dubrovnik oder Barcelona haben teils drastische Maßnahmen getroffen, um Touristenmassen zu begrenzen. Kreuzfahrten geraten dabei oft in den Fokus, da binnen kurzer Zeit viele Menschen an Land gehen. In Venedig waren von ihren Tagesgästen 2024 lediglich 5% von Kreuzfahrtschiffen. In den meisten Städten ist es sogar deutlich geringer.

Weitere Städte haben die Zahl der gleichzeitig erlaubten Schiffe limitiert. Die Reedereien setzen vermehrt auf gestaffelte Landgänge, zeitversetzte Ausflüge oder Kooperationen mit lokalen Partnern zur Lenkung der Besucherströme. Der wirtschaftliche Nutzen ist teils erheblich: Laut CLIA-Studien geben Passagiere und Crew pro Landgang durchschnittlich 100 €–150 € pro Person aus – zugunsten von Gastronomie, Einzelhandel, Museen und lokalen Führungen. 2023 wurde der Hafen für Schiffe ohne Emissionsfilter gesperrt, aber die Zahl der Schiffe mit E-Antrieb oder Scrubber-Technik nahm deutlich zu. Die Gemeinde profitiert weiterhin vom Tourismus, aber in regulierter, verträglicher Form. Der Hafen Hamburg bietet Landstrom für Schiffe an – 2023 waren 60 % aller Anläufe technisch dazu in der Lage.

Die Einheimischen werden wegen der Kreuzfahrt auch nicht aus den Städten gedrängt. Sie werden auf Grund des billigen AirBnB-Tourismus verdrängt. Für Vermieter ist es oft lukrativer ihre Wohnungen zu vermieten, als dauerhaft an Einheimischen. Ich bin dem Massentourismus bereits konkret im Mythencheck: Massentourismus auf den Grund gegangen.

Toxische Substanzen – Von Antifouling bis zur Chemikalienentsorgung

Ein oft übersehener, aber bedeutender Umweltaspekt der Kreuzfahrtindustrie ist der Einsatz toxischer Substanzen – sowohl in der Instandhaltung als auch im täglichen Bordbetrieb. Diese Substanzen sind notwendig, um den Schiffsbetrieb effizient zu halten, können jedoch gravierende Auswirkungen auf marine Ökosysteme und die menschliche Gesundheit haben, wenn sie nicht sachgemäß gehandhabt werden.

Antifouling: Vom Umweltsünder zum Technologiewandel

Antifouling-Beschichtungen sind ein Beispiel für notwendige, aber umstrittene Maßnahmen. Diese speziellen Lacke verhindern das Anhaften von Muscheln, Algen und anderen Organismen am Rumpf – eine Maßnahme, die den Treibstoffverbrauch erheblich reduziert, da sie den Strömungswiderstand minimiert. Doch lange Zeit enthielten diese Farben hochtoxische Biozide, insbesondere Tributylzinn (TBT). TBT hat sich als extrem langlebig in der Umwelt und hochgradig giftig für Wasserorganismen erwiesen – bereits geringste Mengen führten bei Meeresschnecken zu Hormonstörungen und Populationseinbrüchen.

Die internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) hat den Einsatz von TBT im Jahr 2008 weltweit verboten. Seither setzen Reedereien auf Alternativen, darunter kupferbasierte Lacke oder silikonhaltige und fluorbasierte Beschichtungen, die physikalisch statt chemisch wirken. Diese sogenannten „Fouling-Release“-Systeme sind weniger giftig, allerdings auch teurer und nicht immer so langlebig. Der Einsatz dieser neuen Technologien ist ein Fortschritt.

Chemikalien im Schiffsbetrieb: Reinigung, Wartung, Kühlung

Neben Antifouling kommen auf Kreuzfahrtschiffen zahlreiche weitere Chemikalien zum Einsatz – von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln über KühlflüssigkeitenLösungsmittelMotorenöle bis hin zu Schmierstoffen für technische Anlagen. Viele dieser Substanzen enthalten Schwermetalle oder flüchtige organische Verbindungen (VOCs), die sowohl Luft als auch Wasser belasten können.

Rechtliche Rahmenbedingungen und deren Umsetzung

In Europa regelt die EU-Richtlinie 2012/18/EU (Seveso-III-Richtlinie) zusammen mit der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) die Anforderungen für den Umgang mit gefährlichen Substanzen auf See. Auch internationale Übereinkommen wie das MARPOL-Übereinkommen (Annex III und IV) enthalten klare Regeln zur Lagerung, Entsorgung und Deklarierung gefährlicher Stoffe. Doch die Kontrolle gestaltet sich schwierig: Kreuzfahrtschiffe operieren oft unter „Flags of Convenience“, also unter Flaggen von Ländern mit laxeren Umweltkontrollen.

Ein zusätzliches Problem ist die unzureichende Harmonisierung der Hafeninfrastrukturen. Viele Häfen weltweit verfügen nicht über geeignete Anlagen, um gefährliche Abfälle sicher anzunehmen und weiterzuverarbeiten. Dadurch steigt die Versuchung, problematische Stoffe an Bord zu lagern oder sie auf hoher See zu verklappen – trotz Verbot.

Initiativen der Branche: Mehr Umweltverantwortung durch Zertifizierung

Einige Reedereien versuchen, durch Selbstverpflichtung und Zertifizierung einen besseren Standard zu setzen. So lässt sich beispielsweise MSC Cruises regelmäßig durch Lloyd’s Register und das Green Marine Europe Label zertifizieren. Dabei werden Umweltmanagementsysteme, der Umgang mit Gefahrstoffen sowie der Einsatz biologisch abbaubarer Produkte bewertet. Auch Reedereien wie Hurtigruten, AIDA oder Ponant setzen zunehmend auf biologisch abbaubare Reinigungsmittel und reduzieren den Einsatz chemischer Desinfektionsmittel durch UV- oder Ozonbehandlung.

Ein weiteres positives Beispiel ist das „Clean Ship Certificate“ des DNV GL, das nicht nur technische Standards, sondern auch Betriebsverfahren bewertet – etwa den Austausch von Kühlmitteln gegen klimafreundlichere Varianten (z. B. R1234yf statt R134a).

Was Passagiere tun können

Auch Reisende können einen Beitrag leisten. Wer sich umweltbewusst verhalten möchte, sollte gezielt nach Reedereien mit transparenter Umweltpolitik suchen. Zudem können Gäste eigene Pflegeprodukte mitbringen, um Mikroplastik und aggressive Inhaltsstoffe zu vermeiden. In vielen Gebieten dürfen nur Sonnenschutzmittel verwendet sind, welche die lokalen Korallenriffe nicht schädigen. Lokale Gesetze und Weisungen sollten immer Folge geleistet werden.

Fazit zum ersten Teil

Die Umweltbilanz von Kreuzfahrten ist komplex und von verschiedenen Faktoren abhängig. Während Kreuzfahrtschiffe ohne Zweifel einen erheblichen CO₂-Ausstoß verursachen und zur Verschmutzung der Ozeane beitragen können, gibt es auch enorme Fortschritte in der Branche. Einige Reedereien investieren in emissionsärmere Technologien und nachhaltige Praktiken, um ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern. Die Debatte über die Umweltbelastung von Kreuzfahrten ist daher nicht schwarz-weiß, sondern vielmehr eine Frage der Perspektive und des kontinuierlichen Fortschritts. Es bleibt abzuwarten, wie schnell und in welchem Maße die Branche sich wirklich nachhaltig entwickeln wird.

Doch als Konsumenten können wir durch informierte Entscheidungen, wie z.B. die Wahl von nachhaltigeren Schiffen oder Reedereien, einen Beitrag leisten. Um die Wahrheit hinter den Mythen zu entlarven, ist es wichtig, nicht nur auf die Negativseiten zu achten, sondern auch die positiven Initiativen und Veränderungen zu erkennen, die den Weg zu einer umweltfreundlicheren Kreuzfahrtindustrie ebnen. Die Kreuzfahrt ist ein innovationstreiber der Schifffahrt. Viele moderne und umweltfreundlichere Technologien werden zu erst bei Kreuzfahrtschiffen umgesetzt. Hier schauen die Konsumenten drauf. Knapp 350 Hochseekreuzfahrtschiffe stehen schätzungsweise über 90.000 hochseefähigen Frachtschiffen gegenüber. Wichtig ist hier global Veränderungen über Branchengrenzen hinweg voran zutreiben

Im zweiten Teil geht es weiter um Luxus, Billigflaggen und Greenwashing.

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