Im ersten Teil unseres Mythenchecks haben wir uns mit den häufigsten Umweltvorwürfen gegenüber der Kreuzfahrtbranche beschäftigt: CO₂-Ausstoß, Massentourismus und Plastikmüll. Dabei zeigte sich, dass die Realität oft komplexer ist als plakative Schlagzeilen vermuten lassen. Doch die Debatte um Kreuzfahrten endet nicht bei Emissionen und Müll. Auch andere Aspekte stehen immer wieder in der Kritik: Ist Kreuzfahrt wirklich nur dekadenter Luxus für Reiche? Entziehen sich Reedereien durch ausgeklügelte Firmensitze ihrer Steuerpflicht? Und wie stark belasten Kreuzfahrtschiffe eigentlich mit ihrem Lärm die Umwelt – unter Wasser wie an Land?
In Teil 2 unseres Mythenchecks nehmen wir genau diese Themen unter die Lupe. Mit Fakten, Einblicken hinter die Kulissen und einem kritischen Blick auf weitverbreitete Vorurteile wollen wir herausfinden: Wie berechtigt ist die Kritik wirklich? Und was davon ist Mythos?
Kreuzfahrten sind nur etwas für Reiche – also eine Luxus-Verschmutzung

„Kreuzfahrten sind ein Luxusprodukt – also unnötig und umweltschädlich, weil sie nur einer kleinen Elite dienen.“ Noch in den 1980er Jahren galten Kreuzfahrten als exklusiv. Heute sieht das ganz anders aus. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Kreuzfahrtbranche massiv gewandelt. Viele Reedereien – insbesondere große Anbieter wie MSC Cruises, AIDA Cruises, TUI Cruises, Royal Caribbean, Carnival oder Norwegian Cruise Line – haben sich bewusst für eine Demokratisierung des Angebots entschieden:
Viele Reedereien bieten Kurzreisen, Familienangebote, Budget-Kabinen und All-Inclusive-Tarife, die es auch Normalverdienern ermöglichen, an Bord zu gehen. All-Inclusive-Angebote und Familienpakete mit Kinderermäßigungen oder Gratiskinderplätzen senken die Hürde zusätzlich. Besonders in Europa, Nordamerika und Asien ist das Kreuzfahrtpublikum heute sehr durchmischt. Der globale Kreuzfahrtmarkt wächst besonders im mittleren Preissegment. Laut dem Kreuzfahrtmarkt-Report 2023 von CLIA (Cruise Lines International Association) liegt der durchschnittliche Preis pro Person und Nacht bei Hochseekreuzfahrten weltweit bei rund 165 US-Dollar – in vielen Fällen günstiger als ein Aufenthalt in einem Hotel der Mittelklasse mit Verpflegung und Unterhaltungsangeboten. Die Altersstruktur ist dabei sehr vielfältig: Etwa 33 % der Passagiere sind zwischen 30 und 50 Jahre alt, 21 % sind unter 30.
Auch Studienreisen, Flusskreuzfahrten mit Bildungsauftrag (z. B. auf der Donau, dem Nil oder Mekong) sowie Expeditionsreisen in die Arktis oder Antarktis werden immer stärker nachgefragt – nicht nur von Besserverdienenden, sondern auch von Interessierten, die diese Reisen über Jahre bewusst planen und finanzieren.
Der Preis pro Person und Nacht ist bei einer Kreuzfahrt oft günstiger als ein Mittelklasse mit Verpflegung. Ökologisch betrachtet ist die Frage nicht, wer reist, sondern wie nachhaltig die Reise gestaltet wird – unabhängig vom Einkommen.
Kreuzfahrtschiffe zahlen keine Steuern und umgehen Umweltschutz mit Billigflaggen

„Kreuzfahrtunternehmen registrieren ihre Schiffe in Ländern wie Panama oder Liberia, um Steuern und Umweltauflagen zu umgehen.“ Tatsächlich fahren viele Kreuzfahrtschiffe unter sogenannten „Flags of Convenience“, also unter der Flagge eines Staates, in dem das Unternehmen nicht ansässig ist. Dies betrifft nicht nur Kreuzfahrten, sondern den Großteil der weltweiten Handelsschifffahrt.
„Flags of Convenience“ bezeichnet Schiffe, die unter der Flagge eines anderen Landes fahren als dem, in dem die Reederei ihren Hauptsitz hat. Diese Praxis ist in der internationalen Handelsschifffahrt weit verbreitet: Laut der UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) fuhren im Jahr 2023 etwa 70 % der weltweiten Handelsflotte unter sogenannten Billigflaggen wie Panama, Liberia oder den Marshallinseln.
Jedoch ist die Realität komplexer, als „alles steuerfrei“. Internationale Seeschifffahrt wird weltweit steuerlich begünstigt, z. B. durch sogenannte Tonnagesteuer-Regelungen. Dabei wird nicht der reale Gewinn, sondern die Ladekapazität des Schiffes versteuert. Diese Regelung gilt in vielen EU-Ländern, darunter Deutschland, Italien und die Niederlande.
Die Gründe sind hierfür sind vielschichtig. Viele Reedereien zahlen nur in den Ländern Steuern, in denen sie ihren Sitz haben. Internationale Seeschifffahrt wird häufig steuerlich begünstigt, u. a. um globale Handelsinteressen zu schützen. Umwelt- und Sicherheitsvorschriften basieren in der Regel auf der IMO (International Maritime Organization). Diese Umwelt- und Sicherheitsstandards gelten unabhängig vom Flaggenstaat. Die zuständige Institution ist die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO), eine UN-Behörde mit über 170 Mitgliedsstaaten. Unabhängig vom Flaggenstaat müssen Schiffe die Standards einhalten.
Seriöse Flaggenstaaten (z. B. Malta, Bahamas) verfügen über eigene Kontrollbehörden und zertifizieren Schiffe regelmäßig. Viele Kreuzfahrtunternehmen wie Carnival Corporation, Royal Caribbean Group oder Norwegian Cruise Line Holdings sind börsennotiert. Sie veröffentlichen jährliche Geschäftsberichte mit Informationen zur Steuerstruktur. Die effektiven Steuersätze liegen zwar teils unter 5 %, doch sie existieren.
Richtig ist, dass die steuerliche Gestaltung nicht transparent ist und ein Problem in Bezug auf Fairness und globale Gerechtigkeit ist. Das damit automatisch alle Umweltvorgaben umgangen werden oder keine Standards gelten ist jedoch falsch. Reedereien stehen zunehmend unter öffentlichem Druck, ihre steuerliche und ökologische Verantwortung offenzulegen.
Lärmbelastung: Die unterschätzte Umweltauswirkung der Kreuzfahrt

Wenn über Umweltschäden durch Kreuzfahrtschiffe gesprochen wird, denken viele zuerst an CO₂-Emissionen, Abwasser oder Müll. Doch eine oft übersehene, aber gravierende Umweltauswirkung ist der Unterwasserlärm – eine akustische Belastung, die für Meereslebewesen weitreichende Folgen hat.
Vor allem Wale, Delfine, Aale und viele Fischarten sind betroffen. Diese Tiere sind auf Schallwellen angewiesen, um sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden, zu jagen, zu kommunizieren oder Partner zu finden. Der Schiffsverkehr – insbesondere von großen Kreuzfahrtschiffen – erzeugt dabei ein permanentes Hintergrundgeräusch, das sich über weite Distanzen ausbreiten kann. In besonders stark befahrenen Regionen wie dem Mittelmeer hat sich der Unterwasserlärm laut wissenschaftlichen Studien seit den 1990er-Jahren mehr als verdoppelt. Einige niederfrequente Geräusche von Schiffsmotoren und Propellern sind noch in mehr als 200 Metern Entfernung messbar – für viele Meeresbewohner ist das eine dauerhafte Stressquelle.
Stress unter Wasser: Unsichtbar, aber spürbar
Für Meeressäuger wie Pottwale oder Orcas, die auf Echoortung angewiesen sind, bedeutet Lärm oft: Orientierungslosigkeit, reduzierte Jagderfolge und eingeschränkte soziale Kommunikation. Einige Arten meiden aus Lärmgründen bestimmte Regionen ganz, andere zeigen nachweisbare Stresssymptome. Auch bei Fischen wie Heringen, Aalen oder Kabeljau konnte man Störungen im Verhalten beobachten – darunter verändertes Wanderverhalten, Panikreaktionen oder geringere Fortpflanzungsraten. Eine Untersuchung der University of Victoria (Williams et al., 2015) zeigte, dass Orcas in der Nähe von lauten Schiffen weniger jagdbezogenes Verhalten zeigen und sogar ihre Gesänge anpassen – was langfristig zur energetischen Erschöpfung führen kann.
Fischarten wie Heringe, Aale oder Dorsche zeigen laut einer Studie des Alfred-Wegener-Instituts (2017) Vermeidungsverhalten, veränderte Laichrouten oder Panikreaktionen. Auch bei Korallenriffbewohnern wurde festgestellt, dass der Larvennachwuchs durch anhaltenden Lärm schlechter navigiert und sich seltener in Riffsystemen niederlässt (Simpson et al., 2011).
Die Kreuzfahrtbranche beginnt, das Problem ernst zu nehmen, auch durch zunehmenden Druck von Forschungseinrichtungen, Umweltorganisationen und internationalen Regulierungsbehörden. Bei Frachtschiffen hat sich jedoch noch kein Umdenken eingestellt. Hier wird grundsätzlich die wirtschaftlichste Route genutzt, sprich die kürzeste Route. Mehrere Maßnahmen und technische Entwicklungen sollen helfen, die Lärmbelastung zu verringern.
Optimierte Propeller und Rumpfdesigns
Moderne Propeller werden so konstruiert, dass sie weniger Kavitation erzeugen – das ist das Blasenbilden durch Druckunterschiede, das einen Großteil des Lärms verursacht. Auch durch hydrodynamisch optimierte Rumpfformen lassen sich Strömungsgeräusche deutlich verringern. Die IMO (Internationale Seeschifffahrtsorganisation) empfiehlt hier spezifische Designrichtlinien (IMO Guidelines for the Reduction of Underwater Noise, 2014).
Schallisolierende Materialien
In Maschinenräumen kommen zunehmend schallabsorbierende Beschichtungen und verbesserte Lagerungen zum Einsatz, um Vibrationen zu reduzieren, die sich unter Wasser fortpflanzen. Auch neue Lager- und Dämpfungssysteme für Generatoren und Antriebe gehören dazu. Hersteller wie Wärtsilä oder MAN Energy Solutions arbeiten an schwingungsentkoppelten Generatoren, leiseren Antriebssystemen (z. B. Gasantriebe) und schallabsorbierenden Materialien im Maschinenraum. Diese Maßnahmen senken nicht nur den Lärmpegel, sondern verlängern auch die Lebensdauer technischer Komponenten.
Geschwindigkeitsanpassungen („Slow steaming“)
In sensiblen Meereszonen – zum Beispiel bei der Durchfahrt durch Meeresschutzgebiete – wird die Geschwindigkeit der Schiffe bewusst reduziert. So senkt man nicht nur den Lärmpegel, sondern auch Treibstoffverbrauch und Emissionen. Reedereien wie MSC Cruises, Carnival Corporation, aber auch Hurtigruten und Ponant setzen solche Maßnahmen bereits regelmäßig um. Etwa der Inside Passage in Alaska, dem Great Barrier Reef oder dem Saguenay-St.-Lorenz-System in Kanada wird die Geschwindigkeit gezielt reduziert. Studien zeigen, dass bereits eine Geschwindigkeitsreduktion von 20 % den Unterwasserlärm um bis zu 50 % senken kann (Leaper, 2019).
„Quiet Ship“-Zertifizierungen und Umweltlabels
Einige Reedereien streben spezielle Umweltzertifizierungen an, bei denen auch der Unterwasserlärm bewertet wird – zum Beispiel durch die DNV GL „Silent-E“-Klasse oder vergleichbare internationale Standards. Diese Labels berücksichtigen sowohl den Betrieb als auch das Design des Schiffes in Bezug auf akustische Emissionen.
„Quiet Zones“ & Routenplanung
Mehrere Unternehmen – darunter Carnival, MSC und Royal Caribbean – experimentieren mit „Quiet Zone“-Konzepten. Dabei werden bestimmte Meeresgebiete aktiv in die Routenplanung integriert und dort bewusst ruhiger gefahren, akustisch sensible Zonen möglichst umfahren oder mit zusätzlicher Sensortechnik überwacht.
Unterwasserlärm ist ein Umweltfaktor, den wir ernst nehmen müssen
Die Umweltauswirkungen von Kreuzfahrten sind vielschichtig und Unterwasserlärm ist eine davon, die lange zu wenig Beachtung gefunden hat. Doch das ändert sich. Technische Innovationen, neue Standards und das wachsende ökologische Bewusstsein der Reedereien zeigen, dass auch akustischer Umweltschutz in der maritimen Industrie möglich ist. Eine nachhaltige Kreuzfahrt berücksichtigt nicht nur CO₂-Ausstoß und Abwasser, sondern auch das akustische Wohl der Meereswelt. Nur wenn all diese Faktoren zusammengedacht werden, kann sich die Umweltbilanz von Kreuzfahrten spürbar verbessern.
Kreuzfahrtunternehmen tun nichts für den Klimaschutz – alles nur Greenwashing!
„Klimaneutral, nachhaltig, emissionsarm – das klingt alles zu schön um war zu sein. Aber in Wirklichkeit passiert doch nichts!“. Die Klimabilanz der Kreuzfahrtbranche ist zweifellos ausbaufähig, und es gibt durchaus Fälle von Greenwashing – also dem Vortäuschen von Umweltfreundlichkeit durch PR-Maßnahmen. Aber, internationale Initiativen wie die IMO-Strategie zur Dekarbonisierung verpflichten alle Reedereien zur schrittweisen Senkung der CO₂-Emissionen.

Tatsächlich sind viele Marketingaussagen großer Kreuzfahrtanbieter kritisch zu betrachten. Begriffe wie „klimaneutral“ oder „nachhaltig“ werden oft unklar oder ohne wissenschaftlich fundierte Basis verwendet. Laut einem Bericht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) von 2023 betreiben einige Anbieter sogenanntes „Greenwashing“, indem sie etwa CO₂-Kompensation ohne Transparenz über deren Wirkung bewerben oder emissionsintensive Treibstoffe wie LNG als „sauber“ deklarieren, obwohl bei der Förderung und Verarbeitung große Mengen Methan freigesetzt werden – ein besonders klimaschädliches Gas.
Trotz berechtigter Kritik haben viele Kreuzfahrtgesellschaften mittlerweile konkrete Strategien entwickelt, um ihre Umweltauswirkungen deutlich zu reduzieren. Die Kreuzfahrtbranche steht unter wachsendem internationalen Druck, ihre Emissionen zu reduzieren. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) – eine UN-Sonderorganisation – hat 2023 ihre Klimastrategie verschärft. Ziel ist es, die CO₂-Emissionen der Schifffahrt bis 2030 um mindestens 40 % pro transportierter Tonne und Kilometer gegenüber 2008 zu senken, bis 2050 sollen Netto-Null-Emissionen erreicht werden.
Norwegens traditionsreiche Reederei Hurtigruten zählt zu den innovativsten Akteuren und geht mit gutem Beispiel voran. Bereits seit 2019 setzt sie mit dem Hybrid-Schiff MS Roald Amundsen Maßstäbe, 2021 folgte die MS Fridtjof Nansen. Noch ambitionierter ist das Joint Venture Havila Kystruten, das vollelektrische Schiffe auf der norwegischen Postschiffroute einsetzt – gespeist mit Strom aus Wasserkraft. Zudem wird Biogas aus totem Fischabfall getestet, um die Emissionen weiter zu reduzieren.
Auch MSC Cruises, eine der weltweit größten Kreuzfahrtreedereien, will bis 2050 vollständig klimaneutral sein. Bereits heute nutzt die Flotte modernste Abgasreinigungssysteme (EGCS), fortschrittliche Abwasserreinigung, Landstromanschlüsse in Häfen sowie LNG-Antrieb bei neuen Schiffen wie der MSC World Europa. Darüber hinaus engagiert sich die Reederei im Waterfront Smart City Project in Genua – ein Projekt für nachhaltige Hafenentwicklung.
Darüber hinaus arbeiten zahlreiche Werften und Reedereien an der Entwicklung neuer, umweltfreundlicher Schiffstypen. Dazu zählen etwa Kreuzfahrtschiffe mit Brennstoffzellenantrieb, die emissionsarm oder sogar komplett emissionsfrei betrieben werden können. Moderne Motoren, die mit mehreren Kraftstoffarten, sogenannten Mehrstoffmotoren, betrieben werden können, ermöglichen zusätzliche Flexibilität bei der Umstellung auf grünere Alternativen.
Zudem laufen erste Pilotprojekte mit grünem Wasserstoff, der als besonders vielversprechender Energieträger für die maritime Zukunft gilt. Diese Entwicklungen zeigen deutlich, dass die Kreuzfahrtbranche sich in einem technologischen Wandel befindet, der langfristig zu einer deutlich nachhaltigeren Form des Reisens führen könnte.
Innovative Technologien für umweltfreundlichere Kreuzfahrten
Die Kreuzfahrtbranche steht vor der großen Herausforderung, ihre Umweltauswirkungen zu minimieren und langfristig klimafreundlich zu wirtschaften. In den letzten Jahren wurden bedeutende technologische Fortschritte erzielt, um Kreuzfahrten umweltfreundlicher zu gestalten. Das Spektrum reicht dabei von alternativen Antrieben über Energieeffizienzmaßnahmen bis hin zu innovativen Abfall- und Wasseraufbereitungssystemen.
Emissionsfreie Prototypen in Sicht
Ein Beispiel für den Fortschritt ist Explora Journeys, die Luxusmarke der MSC Group: Ihre Neubauten ab 2027 sollen mit LNG, Methanol, Landstrom und Abwärmenutzung ausgestattet sein. Auch Ponant plant bis 2030 den Einsatz eines komplett emissionsfreien Expeditionsschiffs, das Wasserstoff, Batteriespeicher, Solarpaneele und Windkraft kombiniert.
Greenwashing ja – aber auch echte Veränderung
Ja, es gibt nach wie vor Greenwashing, unzureichende Maßnahmen und große Lücken – vor allem bei der globalen CO₂-Bilanz der Branche. Doch pauschal zu behaupten, es „passiere nichts“, greift zu kurz. Viele Kreuzfahrtunternehmen investieren Milliarden in Forschung, neue Technologien und Infrastrukturprojekte.
Klimaschutz in der Schifffahrt ist komplex und teuer, aber auch technisch machbar. Die Kreuzfahrtbranche ist im Wandel. Ob daraus echter Fortschritt wird, hängt auch von politischen Rahmenbedingungen, transparenten Standards und vom Druck der Kreuzfahrtgäste ab.
Nachhaltige Kreuzfahrt ist technisch unmöglich
„So große Schiffe, so viele Menschen – das wird nie nachhaltig gehen.“ Ein Satz, den man oft hört. Aber was bedeutet „nachhaltig“ eigentlich? Eine Kreuzfahrt wird wohl nie völlig emissionsfrei sein – genauso wenig wie andere Formen des Reisens oder unser Alltag insgesamt. Doch sie kann sehr wohl deutlich umweltfreundlicher werden. Seitdem der Mensch sesshaft wurde, lebt er nicht mehr klimaneutral. Und seit wir unser Leben planen, vorausdenken und gestalten, beeinflussen unsere Entscheidungen immer auch die Umwelt. Nachhaltigkeit bedeutet also nicht Perfektion, sondern Verantwortung, Fortschritt und den Willen zur Verbesserung.
In der Kreuzfahrtbranche gibt es eine Vielzahl an technologischen Entwicklungen, die genau hier ansetzen. So arbeiten Reedereien wie Havila, MSC oder Viking Cruises an Konzepten für wasserstoffbetriebene Schiffe. Andere – etwa AIDA, Maersk oder TUI – planen mit methanolfähigen Motoren, die fossile Brennstoffe langfristig ablösen könnten. Auch innovative Hybridlösungen wie Großsegler mit unterstützendem Antrieb (z. B. bei Ponant oder dem neuen Orient Express-Schiff) zeigen, dass moderne Technik und maritime Tradition sich nicht ausschließen müssen.
Batteriebetriebene Schiffe sind ebenfalls auf dem Vormarsch. Hurtigruten und Havila setzen sie bereits ein, etwa in Fjorden, wo besonders strenge Umweltregeln gelten. Und mit Hilfe von künstlicher Intelligenz werden Routen so geplant, dass weniger Emissionen verursacht werden und gleichzeitig mehr Effizienz ermöglicht.
Neben dem Antrieb stehen auch Umweltstandards an Bord im Fokus: moderne Abwasserbehandlung in geschlossenen Kreisläufen (Closed-Loop-Systeme), Wärmerückgewinnung, Recyclingprogramme, plastikfreie Konzepte und eine bewusste Abfallvermeidung gehören auf vielen Schiffen bereits zum Standard oder werden nachgerüstet. Hinzu kommt ein wachsendes Bewusstsein für regionale Wertschöpfung – etwa durch lokale Lebensmittelversorgung oder Partnerschaften mit Gemeinden an Land. Kooperationen mit Organisationen wie der UNWTO oder dem WWF sollen diesen Wandel zusätzlich begleiten.
Eine wichtige Rolle spielen dabei auch unternehmensnahe Stiftungen, die langfristige Nachhaltigkeitsstrategien fördern. Die MSC Foundation etwa unterstützt Umwelt- und Bildungsprojekte, fördert den Meeresschutz und setzt sich für den Erhalt von Lebensräumen ein. Solche Initiativen zeigen, dass es über den reinen Schiffsbetrieb hinaus ein zunehmendes Engagement für Nachhaltigkeit gibt, auch in sozialen und kulturellen Bereichen.
Fazit
Die Kreuzfahrtbranche befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel hin zu mehr Umweltverantwortung und Nachhaltigkeit. Der Einsatz von LNG (Flüssigerdgas) ist dabei nur ein erster, wenn auch bedeutender Schritt auf dem Weg zu einer emissionsärmeren Zukunft. Doch LNG allein wird die Kreuzfahrt nicht klimaneutral machen – vielmehr ist es ein Teil eines umfassenden Maßnahmenpakets.
Schon heute setzen viele Reedereien auf moderne Technologien und innovative Lösungen, um Emissionen zu verringern, Abwasser besser zu behandeln, Energie effizienter zu nutzen und Lärm- sowie Müllaufkommen zu reduzieren. Technische Entwicklungen wie Landstromanschlüsse, Hybridantriebe, Abgasreinigungssysteme oder auch der Einsatz alternativer Kraftstoffe wie Methanol, E-Methan oder künftig Wasserstoff zeigen, dass sich die Branche intensiv mit ihrer ökologischen Verantwortung auseinandersetzt.
Dabei ist klar: Es braucht nicht die eine große Lösung, sondern das Zusammenspiel vieler kleiner und großer Veränderungen – wie Zahnräder, die ineinandergreifen. Forschung und Entwicklung spielen dabei eine Schlüsselrolle, ebenso wie Investitionen in neue Schiffskonzepte und die Umrüstung bestehender Flotten.
Die meisten Kreuzfahrtreedereien haben die Zeichen der Zeit erkannt und ihre Verantwortung für Mensch, Natur und Klima verstanden. Doch auch Politik, Hafeninfrastruktur, Technologieanbieter und nicht zuletzt die Gäste selbst tragen ihren Teil dazu bei, dass Kreuzfahrten künftig nachhaltiger gestaltet werden können. Nur gemeinsam kann ein echter Wandel gelingen – hin zu einer Kreuzfahrt, die nicht nur faszinierend, sondern auch zukunftsfähig ist.
Im dritten Teil unseres Mythenchecks geht es um Umweltzertifikate, wie Aussagekräftig sie wirklich sind, dem NABU Kreuzfahrtranking und regulatorischen Entwicklungen. Auch auf das, was wir als Kreuzfahrtgäste tun können, werden wir eingehen.